Die Pinsa ist seit dem römischen Imperium, also seit Jahrtausenden bekannt. Das Rezept wurde mündlich von Generation zu Generation…
Schöne Geschichte, stimmt nur nicht 🙂
Die Pinsa wurde vom römischen Backunternehmer Corrado di Marco im Jahr 2001 erfunden, als „auf dem Pizza Markt nichts mehr zu holen war“ wie sein Sohn Alberto in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung1 freimütig zugibt.
Die (wahre) Geschichte der Pinsa
Aber die wahre Geschichte ist nicht weniger erzählenswert, berichtet sie doch von einem italienischen Unternehmer, der aus der klassischen Pizza etwas Neues gemacht hat. Und wer die Italiener bzw. ihre Vehemenz bei der Verteidigung ihrer kulinarischen Nationalheiligtümer kennt, weiß welches Risiko die Familie di Marco da eingegangen ist.
Genauso der Name: Dass es mit ‚pinsere‘ ein lateinisches Wort für kleinstampfen, zerstoßen gibt, ist eine glückliche Fügung („Ein bisschen Latein hat noch keinem Produkt geschadet.“ [Alberto di Marco]), die dem Produktnamen „Pinsa“ ein wenig historisches Flair verleiht. Gedacht war der Name als eine Bezeichnung zwischen Pita und Pizza um sich darunter schnell etwas vorstellen zu können.
Die wirkliche Leistung der di Marcos besteht aber darin, mit der Pinsa ein Gericht kreiert zu haben, das dank der Mehlmischung, des hohen Wasseranteils und der geringen Menge an Germ (so diese überhaupt verwendet wird) sehr bekömmlich ist. Die sehr lange Gehzeit trägt dazu noch zusätzlich bei.
Womit wir schon bei der Mehlmischung wären. In der „originalen“ Mischung ist Weizenmehl, Reismehl und Sojamehl enthalten – spätestens beim Sojamehl ist es übrigens klar, dass das Rezept nicht „antik“ sein kann. Dazu kommt Sauerteig und/oder Germ, Salz und mit 80-90% sehr viel Wasser. Schließlich noch etwas Olivenöl für noch knusprigeren Teig.
Diese Mischung ergibt einen gleichzeitig röschen, aber dennoch sehr leichten Teigfladen, der wie ein römische Pizza zuerst vorgebacken und dann belegt wird. Die belegte Pinsa wird dann noch fertiggebacken.
Getestet haben die innovativen Erfinder die Pinsa im Restaurant eines Freundes, in der nach nur kurzer Zeit keine normale Pizza mehr bestellt wurde. Mittlerweile (Stand Mitte 2020) beliefern die di Marcos mehr als 6000 Restaurants mit ihrer Mehlmischung und exportieren bis Uganda und die Mongolei.
Und während der Corona-Ausgangsbeschränkungen war Papa Corrado mit seinen 75 Jahren offenbar langweilig, daher hat er die Zeit genutzt eine glutenfreie Variante zu entwickeln – man darf darauf gespannt sein.
Pinsa alla Wagner
Nun zu meiner Version:
Angetan von dem Gedanken, eine Version zu entwickeln wie sie schon vor Jahrhunderten hätte vorkommen KÖNNEN hab ich ein paar Veränderungen vorgenommen. Erstens habe ich die Germ komplett weggelassen, die gabs damals einfach noch nicht auch wenn es schon erste Versuche mit Bierhefe oder mit Bier selbst gab. Ich verwende Weizensauerteig, der war auch damals schon, seit er von den Griechen in Italien eingeführt wurde, das Triebmittel der Wahl.
Dann hab ich das Sojamehl – gabs nicht – durch Kastanienmehl ersetzt, das zu früheren Zeiten und bis in die nicht zu lange Vergangenheit von den ärmeren Menschen zum strecken von teuren Weizenmehlen verwendet wurde. Das Reismehl bleibt dabei – Reis wird in Italien seit über 500 Jahren angebaut – und sorgt für Knusprigkeit und Rösche und vom hellen Weizenmehl wird ein Teil durch Dinkelvollkornmehl und Weizenbrotmehl ersetzt. Damit ist meine Pinsa geschmacklich näher am Brot, dennoch aber sehr luftig und leicht.
Was noch: Wasser und Salz natürlich. Und Fett. Aber ich nehme kein Olivenöl sondern Schmalz. Während es nämlich beim Olivenöl in Italien eine Art „Grenze“ gibt – nördlich davon Butter, südlich Olivenöl – wird Schweineschmalz in ganz Italien gleichermaßen verwendet. Und hier unterstreicht das Schweineschmalz den von mir gewünschten rustikalen Charakter der Pinsa. Mit derselben Menge eingesetzt wie das Olivenöl wird damit die Pinsa nicht fetter als mit Olivenöl.
Das Öl kann man dann, in bester Qualität, sehr sparsam auf die fertige Pinsa träufeln.
Rezept
Zutaten
Weizensauerteig
- 50 g Anstellgut frisch aufgefrischt
- 50 g Weizenmehl Tipo 00 Pizzamehl mit mind. 12% Eiweißgehalt
- 40 g Wasser leitungskalt
Hauptteig
- 350 g Weizenmehl Tipo00 Pizzamehl mit mind. 12% Eiweißgehalt
- 50 g Weizenmehl W1600 Brotmehl. Ersatzweise: Dinkelvollkornmehl
- 75 g Reismehl
- 25 g Kastanienmehl oder Kichererbsenmehl – geröstet schmeckts nicht "muffig"
- 410 g Wasser leitungskalt
- 10 g Salz Zu viel macht die Pinsa hart
- 10 g Schweineschmalz
Kurzanleitung
Weizensauerteig
- Für den Weizensauerteig das frisch aufgefrischte Anstellgut mit dem Wasser gut verrühren, dann das Mehl klumpenfrei einrühen. Ca. 8 Stunden bei Raumtemperatur (etwa 20°) reifen lassen bis es sich etwa verdreifacht hat.
Hauptteig
- Alles Mehle, das Wasser und den Weizensauerteig in die Knetschüssel der Küchenmaschine geben und auf langsamer Stufe 3 Minuten vermengen. Dann das Salz zugeben und den Teig auf etwas schnellerer Stufe kneten.
- Nach insgesamt 10 Minuten das Schmalz dazugeben und den Teig weitere 10 Minuten auskneten. Der Teig bleibt dabei sehr, sehr weich.
- Den Teig in eine Teigwanne oder ähnliches kippen und 2 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen. Dabei alle 30 Minuten von allen Seiten einmal dehnen und falten.
- Dann die Teigwanne in den Kühlschrank stellen und 24 bis 72 Stunden reifen lassen.
Teig vorbereiten
- Am Backtag den Teig 5 Stunden vor dem Backen aus dem Kühlschrank nehmen und in der Teigwanne 3 Stunden bei Raumtemperatur stehen lassen.
- Dann den Teig auf die Arbeitsfläche kippen – nicht kneten! – und in Stücke zu je 250g teilen. Diese Stücke vorsichtig in länglich-ovale Form bringen: Auf die Arbeitsfläche nicht zu wenig Weizengrieß streuen und die Teiglinge darauf formen und ablegen.
- Die Teiglinge zugedeckt 1 Stunde gehen lassen.
- Den Pizzaofen auf 350° vorheizen bzw. den Haushaltsofen mit Backstein auf maximale Temperatur.
- Die Teiglinge mit den Fingerspitzen – wie bei einer Focaccia – flach-oval auf eine Größe von etwa 20×30 cm drücken. Auch hier den Teig so wenig wie möglich bearbeiten und keinesfalls kneten.
- Die Teiglinge in den Ofen geben und 2 (Pizzaofen) bis 4 (Haushaltsofen) Minuten vorbacken. Die Pinsaböden sollen stark aufgehen, auf der Unterseite leicht bräunen und auf der Oberseite noch eher blass bleiben.
- Aus dem Ofen nehmen und nach Belieben belegen.
- Im Ofen in weiteren 2 bis 4 Minuten bis zur gewünschten Bräune der Kruste fertigbacken.
- Restliche Teiglinge halten im Kühlschrank in Frischhaltefolie gewickelt 2 Tage frisch, sie können aber auch gut eingefroren werden.
Zubereitung
Den Anfang macht der Sauerteig. Dafür das frisch aufgefrischt Weizenanstellgut mit dem Wasser und dem Weizenmehl klumpenfrei verrühren und bei Raumtemperatur 8 Stunden reifen lassen. Der Sauerteig sollte sein Volumen etwa verdreifachen.
Den gereiften Sauerteig mit dem Wasser und allen verwendeten Mehlen in der Knetschüssel der Küchenmaschine 3 Minuten lang auf langsamer Stufe mischen. Der Teig ist sehr, sehr flüssig, davon nicht abschrecken lassen!
Nach den drei Minuten das Salz dazugeben und auf schnellerer Stufe 10 Minuten kneten. Dann das Schmalz dazugeben und nochmal etwa 10 Minuten kneten. Der Teig wird etwas mehr Struktur bekommen, bleibt aber sehr weich, beinahe flüssig.
Diesen Teig in eine leicht geölte Teigwanne oder ein anderes, geeignetes Behältnis geben. Eine rechteckige Form ist für die spätere Bearbeitung sehr hilfreich.
Den Teig nun bei Raumtemperatur 2 Stunden reifen lassen. Dabei alle 30 Minuten von allen Seiten je einmal dehnen und falten. Das geht gut mit feuchten Händen. Danach den Teig in der Teigwanne in den Kühlschrank stellen und 24 bis 32 Stunden reifen lassen.
Am Backtag den Teig aus dem Kühlschrank nehmen und 3 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen.
Am Ende sieht das dann so aus bei mir:
Diesen Teig aus der Wanne auf eine mit reichlich Weizengrieß bestreute Arbeitsfläche kippen – dabei so wenig wie möglich drücken/kneten – und in Stücke zu je 250g teilen. Diese Teigstücke auf (ebenfalls reichlich!) Weizengrieß in rechteckige Teiglinge formen.
Damit ich auch hier den Teig so wenig wie möglich bearbeite, mach ich das so, dass ich ähnlich wie beim dehnen und falten den Teig von allen vier Seiten zur Mitte ziehe und dann an diesem Schluss leicht hochziehe. Dann werden die Teiglinge mit diesem Schluss nach unten auf den Weizengrieß gelegt.
Nochmal eine Stunde zugedeckt gehen lassen. Danach sehen die Teiglinge so aus:
Rechtzeitig vor Ablauf der Gehzeit den Pizzaofen auf 350° – oder den Haushaltsofen mit Backstein auf maximale Temperatur – aufheizen.
Die Teiglinge mit den Fingerspitzen auf eine rechteckige Größe von etwa 20cm x 30cm drücken. Das mach ich ähnlich wie bei einer Focaccia, bei der der Teig ähnlich weich ist.
Diese Teiglinge im Pizzaofen etwa 2 Minuten vorbacken. Die Teiglinge sollen stark aufgehen, der Boden sollte leicht bräunen, die Oberseite noch eher blass bleiben. Im Haushaltsofen dauert das, je nach erreichbarer Temperatur, 4 bis 6 Minuten.
Die Teiglinge auf einem Gitter abkühlen lassen.
Diese Teiglinge lassen sich nun im Kühlschrank ein, zwei Tage aufbewahren oder man kann sie einfrieren. Werden sie gleich weiterverarbeitet können sie nach Belieben belegt und im Pizzaofen nochmal 2 bis 4 Minuten bis zur gewünschten Bräune gebacken werden
Quellen
- https://www.sueddeutsche.de/stil/pinsa-pizza-unterschied-1.4905274
- https://www.pinsaromana.info/ricetta-impasto-ingredienti-pinsa-romana/
- https://bakerrecipes.com/ancient-roman-pinsa-dough-recipe/
- https://www.profumodicannella.net/2019/04/02/pinsa-la-ricetta-per-farla-in-casa/
- https://lucianaincucina.it/Ricette/pinsa-romana-ricetta/
- https://cookandlove.it/2016/02/16/pinsa-romana-fatta-in-casa-vi-svelo-la-ricetta-trucchi-e-segreti/
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