Das Paprikahendl ist für viele eines der typischsten ungarischen Gerichte. Allein beim Namen denkt man an Marika Rökk oder den Film „Ich denke oft an Piroschka“. Dabei – Überraschung! – hat das Paprikahendl starke französische Wurzeln und nicht nur irgendwelche: Das Gericht wurde von Auguste Escoffier zu Ende des 19ten Jahrhunderts als Poulet au Paprika auf Basis des ungarischen Pörkölt, das Escoffier als zu rustikal für den französischen Gaumen befand, kreiert. Und es wurde so populär, dass es auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 der Hit war.
Das Paprikahendl von Escoffier basiert auf einem frikassierten Huhn. Dank dem reichlichen Einsatz von Butter (Franzosen…) und Rahm hat die Sauce eine cremige Konsistenz und dank des Paprikas auch eine elegante Farbe. Dieses Gericht verhalf – über die erwähnte Weltausstellung – dem ungarischen Gewürzpaprika zu dem internationalen Ansehen, den er auch heute noch genießt.
Das Wiener Paprikahendl
Die Wiener habens gemacht wie immer: Eingebürgert! Statt der französischen Poularde oder einem ungarischen Gockel nahmen sie ein zartes Huhn. Und statt eines Frikassees wird das Hendl nur grob geteilt und samt Knochen scharf angebraten.
Auch wird die Sauce nicht mit Ei legiert sondern mit Sauerrahm und Mehl gebunden. Und entgegen der Notiz von Escoffier („Es ist zu beachten, dass die Sauce eine zartrosa Farbe haben muss, die sie nur durch den Paprika erhalten soll.“) wird in Wien der Paprika reichlicher verwendet und die Sauce „rustikaler“.
Aber nicht scharf – weswegen dieses Gericht auch bei Kindern sehr beliebt ist.
Suppenhuhn?
In meiner Kindheit war das Paprikahendl eine beliebte Verwertung von älteren, zähen Legehennen, den sogenannten „Suppenhühnern“. Die gibts heutzutage fast nicht mehr, nur noch wenige halten sich privat Hühner. Dennoch bietet dieses Gericht die Möglichkeit, die Idee der Nachhaltigkeit sinnvoll zur Anwendung zu bringen.
Wichtig: Kauft ein ganzes Bio-Hendl!
Der Unterschied zu einem konventionellen Tier ist bei diesem Gericht besonders eklatant da hier mit Fond und Sauce, Braten und Schmoren wirklich jedes bißchen Geschmack rausgeholt wird.
Vorbereitungen am Vortag
Zuerst die Flügel abtrennen und zur Seite legen, die werden für den Fond benötigt.
Die Haxen und die Brust auslösen und jeweils halbieren, diese Stücke werden für das Paprikahendl verwendet. Diese Stücke – mit Haut – rundum salzen und bis zur Verwendung gut zugedeckt in den Kühlschrank stellen.
Das frühe Salzen zahlt sich aus, da dadurch das gesamte Fleisch durchzogen wird und im Gegensatz zur häufigen Ansicht dabei auch nicht austrocknet. Warum das genau funktioniert kann im großartigen Buch „Salz, Fett, Säure, Hitze“ von Samin Nosrat nachgelesen werden.
Aus der Karkasse, den Flügeln und den restlichen Abschnitten wird mit Zwiebeln, Karotte, Sellerie und Gewürzen der Fond gekocht, der für die Sauce benötigt wird. Da der auch ein paar Stunden braucht und die ausgelösten Karkassen so schnell wie möglich entweder tiefgekühlt oder verarbeitet werden sollten empfehle ich, das auch gleich am Vortag zu machen.
Beim Kochen des Fonds darauf achten, dass das Wasser nur ganz leicht simmert. Kocht das Wasser zu stark, kommt das Fett in Bewegung und emulgiert.
Was bei Mayonnaise erwünscht ist, wollen wir hier nicht! Ein emulgierter Fond fühlt sich leimig, schmierig am Gaumen an und wir wollen hier einen klaren, feinen Fond haben.
Zubereitung
Dieses Rezept stammt aus dem Buch „Zeit für Fleisch“
von Sarah Krobath und Peter Troißinger, erschienen 2018 im Löwenzahn-Verlag
ISBN: 978-3706626378
Jetzt kanns mit dem eigentlichen Paprikahendl losgehen: Die gesalzenen Hendlstücke aus dem Kühlschrank nehmen und in Schweineschmalz in einem Topf mit dickem Boden – ideal ist ein Topf aus Gußeisen – von jeder Seite ca. 3 Minuten scharf anbraten.
Im Bratrückstand die gewürfelten Zwiebeln unter rühren in etwa 30 Minuten goldgelb rösten. Währenddessen den Hühnerfond vom Vortag in einem Topf erhitzen und das Backrohr auf 180° Ober/Unterhitze vorheizen.
Das Paradeismark mit den Zwiebeln verrühren und 2 Minuten mitrösten. Dann – ähnlich wie bei Gulasch – den Paprika zugeben und kurz(!) mitrösten. Achtung, der Paprika verbrennt sehr leicht! Mit dem Fond aufgießen und aufkochen.
Mit Salz, Pfeffer, Majoran, Knoblauch und Zitronenabrieb würzen und die Hendlstücke einlegen. Den Deckel auf den Topf geben, ins vorgeheizte Backrohr stellen und das Fleisch 30 Minuten weich schmoren.
Nach diesen 30 Minuten den Topf vorsichtig (heiß!) aus dem Backrohr holen, die Fleischstücke aus dem Saft heben und warm stellen. Den Sauerrahm mit dem Mehl verrühren und in den Saft rühren. Für etwa 4 Minuten einkochen lassen und mit einem Stabmixer sehr fein pürieren.
Die Sauce mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken, die Hühnerstücke wieder in die Sauce geben und 5 Minuten darin ziehen lassen.
Wers besonders fein mag, kann die Sauce bevor die Hühnerteile wieder reinkommen durch ein feines Sieb passieren. Ich hab das hier nicht gemacht, weils meine Mama auch nicht gemacht hat 🙂
Dazu passen feine, in Butter geschwenkte Nockerl oder Spätzle.
Quellen
Ingredients
- 1,5 kg Huhn im Ganzen, Bioqualität
Für den Fond
- Flügel, Karkasse, Abschnitte
- 3 Liter Wasser
- 1 Stück Zwiebel ungeschält geviertel
- 1 Stück Karotte geschält, längs halbiert
- 1 Stange Stangensellerie geputzt, grob in Stücke geschnitten
- 5 Stück Pfefferkörner ganz
- 1 Stück Lorbeerblatt halbiert
- 1 Zweig Thymian gewaschen
- 3 Zweige Petersilie
- 1/2 TL Weißweinessig
Für das Paprikahendl
- Bruststücke, Keulen vom Huhn am Vortag gesalzen
- 500 g Zwiebel gewürfelt
- 100 g Schmalz
- 40 g Paprikapulver edelsüß
- 20 g Paradeismark
- 1 L Hühnerbrühe
- 1 Stück Knoblauchzehe
- 1 TL Majoran
- Salz
- Pfeffer
- Zitronenschale von einer ganzen Bio-Zitrone
- 200 g Sauerrahm
- 50 g Mehl glutenfrei
Kurzanleitung
Vorbereitung (am Vortag)
- Das Huhn zerteilen. Dazu die Flügel abtrennen und aufheben. Dann die Keulen und schließlich beide Brustfilets mit Haut abschneiden.
- Alle Stücke rundum salzen und gut zugedeckt im Kühlschrank einen Tag stehen lassen.
Hühnerfond kochen (am Vortag)
- Alle Zutaten für den Fond in einen geeigneten Topf geben und bei hoher Temperatur zum Kochen bringen.
- Die Temperatur sofort reduzieren sodass das Wasser nur leicht simmert. Aufsteigenden Schaum abschöpfen.
- Den Essig dazugeben und den Fond mindestens 6 Stunden simmernd köcheln. Falls die Flüssigkeit zu stark verdampft mit Wasser auffüllen.
- Durch ein Passiertuch abgießen und auf einen Liter einkochen. Im Kühlschrank auskühlen lassen.
Paprikahendl
- Den Backofen auf 180° Ober/Unterhitze vorheizen und den Hühnerfond aus dem Kühlschrank nehmen und erhitzen.
- Hendlkeulen und -brüste aus dem Kühlschrank nehmen und in heißem Schmalz in einem Topf mit dickem Boden und mit Deckel (idealerweise aus Gußeisen) von allen Seiten je ca. 3 Minuten anbraten.
- Im Bratrückstand die gewürfelten Zwiebeln unter regelmäßigem rühren 30 Minuten goldgelb rösten. Das Paradeismark unterrühren und 2 Minuten mitrösten. Dann – ähnlich wie bei Gulasch – den Paprika zugeben und kurz(!) mitrösten. Achtung, der Paprika verbrennt sehr leicht! Mit dem heißen Fond aufgießen und aufkochen.
- Mit Salz, Pfeffer, Majoran, Knoblauch und Zitronenabrieb würzen und die Hendlstücke einlegen.
- Den Deckel auf den Topf geben und den Topf ins vorgeheizte Backrohr stellen. Das Paprikahendl 30 Minuten schmoren.
- Den Topf aus dem Ofen nehmen, die Fleischstücke aus dem Saft heben und warm stellen.
- Den Sauerrahm mit dem Mehl verrühren und in den Saft rühren. Für 4 Minuten einkochen lassen und mit einem Stabmixer fein pürieren.
- Die Sauce mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken, die Hühnerstücke wieder in die Sauce geben und 5 Minuten ziehen lassen.
- Dazu passen feine, in Butter geschwenkte Nockerl oder Spätzle.
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Walter Marek
Geniales Rezept!
Ich habe das Paprikahendl gestern und vorgestern zubereitet, es war köstlich.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Paprikahendl besser schmecken könnte, das meint auch meine Frau.
Danke für das Rezept.