Dieses Rezept ist riskant! Es ist nämlich ein Gulaschrezept und es gibt im Internet nur wenig, das spannender ist als eine Diskussion über das „richtige“ Gulasch. Und da vor allem über das Wiener Saftgulasch.
Es fängt schon mal damit an, dass es beim Gulasch sowas ähnliches wie die „Weißwurstgrenze“ gibt. In weiten Teilen Deutschlands trifft man nämlich schon mit der Vorgehensweise, das Fleisch NICHT anzubraten auf heftiges Unverständnis. Innerhalb dieser Grenze gibt’s dann noch dogmatisch ausgefochtene Kämpfe um die Verwendung von Paradeismark, um die Zwiebelmenge, ums pürieren der Zwiebel. Und natürlich ob gestaubt werden darf oder nicht – ich gehöre da der ungestaubten Fraktion an!
Von solchen „Gulaschlästerungen“ – wie das dann von den Puristen und Dogmatikern bezeichnet wird – wie Gewürzen (außer Kümmel und Majoran) oder anderem Fleisch wie vorderer Wadschinken ganz abgesehen – sowas kann einen zum digitalen Außenseiter machen obwohls im ehrwürdigen Sacher-Kochbuch im Wiener Saftgulasch auf Seite 39 auch Wacholder und Lorbeer gibt…
Ich selber bin da kein Dogmatiker und koche nach dem Prinzip „Richtig ist was schmeckt“. Und wenn sich sogar solche Leitbetriebe wie das Steirereck in Wien unter Heinz Reitbauer der Weiterentwicklung der österreichischen Landesküche widmen1, warum soll sich nicht auch das Saftgulasch weiterentwickeln!
Aber beginnen wir ganz am Anfang.
Die Ursprünge des Gulasch liegen in der ungarischen Steppe, in der riesige Rinderherden (gulyá) von Rinderhirten (gulyás) bewacht wurden. Die hatten einen großen Kessel dabei und haben in diesem einen Eintopf aus Zwiebeln und Rindfleisch, ein Rinderhirtenfleisch (gulyás hus) zubereitet. Dieser Eintopf hatte mit dem heutigen Gulasch so gar nichts zu tun, fehlte dem doch noch die wichtigste Zutat – der Paprika.
Den Paprika gabs aber in Ungarn (noch) nicht. Erst nach der teilweisen Eroberung und Besetzung Ungarns durch die Osmanen bauten diese – den Ungarn war das bei Todesstrafe verboten – den im osmanischen Reich bereits verbreiteten Paprika an. Die Ungarn waren aber nicht nur gegenüber den Habsburgern störrisch, auch die Osmanen hatten mit ihnen ihre Probleme. Die hielten sich nämlich nicht an das Verbot und bauten diesen „türkischen Pfeffer“ unter Lebensgefahr selber an.
Die Türken zogen nach 1683 – der zweiten Wiener Türkenbelagerung – ab und ließen Ungarn und Paprika zurück. Trotzdem dauerte es noch bis ins 19te Jahrhundert bis er als Gewürz Eingang in die gehobene Küche fand. Ab dann gings aber schnell und durch kluge Züchtung brachten die Ungarn durch Veredelung Sorten unterschiedlichster Schärfegrade zustande.
Zu dieser Zeit fand der Paprika auch in Österreich erste Aufmerksamkeit – beispielsweise in der „Theoretisch-praktischen Anleitung zur Kochkunst“ von 1817 des Kochs der Schwarzenbergs, F.G. Zenker.
Aus dem Rindfleischeintopf wird ein Gulasch
Nun also hatten die ungarischen Rinderhirten von ihren Kollegen des Ackerbaus den Paprika bekommen. Sie stellten fest, dass ein aus diesem Paprika hergestelltes Pulver sehr gut als billiger Ersatz für den teuren Pfeffer verwendet werden kann und haben daher mit dem Paprikapulver das Fleisch in ihrem Eintopf eingerieben. Damit sind die wichtigsten drei Zutaten für jedes Gulasch erstmals zusammengekommen – Rindfleisch, Zwiebeln, Paprika
Das was da nun in den Kesseln in der ungarischen Steppe köchelte war aber vom Wiener Saftgulasch noch immer weit entfernt und ist am ehesten mit einer heutigen Gulaschsuppe vergleichbar. Diese Gulaschsuppe ging jetzt aber auf Wanderschaft: Über die damalige ungarische Hauptstadt Pressburg, wo dieses Gericht mit beginnendem Nationalempfinden der Ungarn in die gehobeneren Schichten vordrang wars nur mehr ein Katzensprung nach Wien. Auch heute trennt diese beiden Städte nur eine Dreiviertelstunde mit dem Auto oder mit dem Katamaran über die Donau.
In der Kaiserstadt Wien bekam die ungarische Steppensuppe nun den Feinschliff: Die Paradeiser und Erdäpfel kamen raus, die Zwiebel wurden braungedünstet und nicht gekocht und die Kochdauer selbst wurde auf ein Maß verlängert, dass die Zwiebel ihre Bindung auf- und in den Gulaschsaft abgaben.
Das wiederum gefiel den Ungarn sehr und so nahmen sie „ihr“ Gulasch in dieser Form wieder zurück. Und um Verwechslungen zu vermeiden und möglicherweise auch um Verwirrung zu stiften nannten sie das Gericht nun „Pörkölt„…
Das Gulasch in der Wiener Wirtshaustradition
„Ein Gulasch und ein Seidel Bier, das ist ein Lebenselixier“ sang schon Wolfgang Ambros und ich meine, da hat er vollkommen recht, der Wolferl! Am Vormittag zum sogenannten Gabelfrühstück ein kleines Gulasch mit drei Fleischwürferln, ein resches, ofenfrisches Semmerl und ein kleines Bier dazu. Ein solcher Tag KANN gar nicht mehr schlecht werden.
Ich bin noch in einer Zeit aufgewachsen, in der die „Wirtn“ schon am Vormittag aufgesperrt haben und für die Hackler am Vormittag ein reduziertes Speisenangebot hatten. Und da war das kleine Gulasch immer dabei. Neben Würstel mit Saft, Schnitzelbrot mit Knoblauch und Saurer Wurst im Sommer. Diese Lokale werden aber immer weniger, auch und vor allem weil sich die Gesellschaft verändert hat. Es gibt immer weniger Berufe und Berufstätige, die diesen vormittäglichen Energieschub brauchen.
Aber das Gulasch ist, wie man sich ja hier überzeugen kann, Veränderungen schon gewohnt 🙂
Wo es noch echtes Gulasch gibt – und das in allen Varianten die man sich nur vorstellen kann – ist das Lokal „Gulaschmuseum“ im ersten Wiener Gemeindebezirk. Vom Kessel- zum Fiakergulasch, vom Pferdegulasch bis hin zu sogar einem „süßen“ Gulasch kann sich der Gaumen dort austoben!
Hier kommt es nun aber: DAS (M)ein Rezept für das Wiener Saftgulasch!
Ingredients
- 4 kg vorderer Wadschinken in 3 bis 5cm Würfel schneiden
- 4 kg Zwiebel weiß, mit einem Messer feinnudelig geschnitten
- 140 g Paradeismark
- 2 Liter Wasser
- 180 g Paprikapulver edelsüss
- 20 g Paprikapulver rosenscharf
- 8 Stück Knoblauchzehe
- 10 g Kümmel gemahlen
- 4 g Majoran getrocknet
- 80 g Salz
- 40 ml Weißweinessig
- Butterschmalz
Kurzanleitung
- Die Zwiebeln schälen und mit einem scharfen Messer feinnudelig schneiden. Nicht mit der Küchenmaschine hacken, das macht das Gulasch bitter!
- Die Zwiebeln in reichlich Butterschmalz langsam goldgelb rösten. Dabei regelmäßig mit einem Kochlöffel durchrühren damit die Zwiebel gleichmäßig bräunen. Die Zwiebeln sollen goldgelb nicht goldbraun werden, keinesfalls darf dabei etwas anbrennen! Das dauert etwa 45 Minuten bis zu einer Stunde.
- Paprizieren: Der wichtigste und gefährlichste Schritt! Beide Paprikasorten vermischen, den Essig abgemessen und einen Liter Wasser bereit stellen. Nun den Paprika zu den Zwiebeln geben, sofort kräftig mit dem Kochlöffel durchrühren und sobald der Paprikageruch in die Nase steigt – das dauert nur ein paar Sekunden! – mit dem Essig ablöschen. Kurz durchrühren und sofort das Wasser dazugießen. Den zweiten Liter Wasser dazugießen und die Zwiebeln zugedeckt 30 Minuten weich dünsten.
- Sind die Zwiebel weich mit einem Stabmixer fein pürieren – spätestens hier gibts wohl manchen Widerspruch 😉 – und das würfelig geschnittene Fleisch ungeröstet dazugeben.
- Die Knoblauchzehen schälen und reiben/pressen und mit dem Paradeismark und den restlichen Gewürzen dazugeben.
- Nicht zugedeckt mindestens 4 Stunden sanft köcheln lassen. Wenn zu viel Flüssigkeit verdunstet – das Fleisch muss immer mit Flüssigkeit bedeckt sein – mit etwas Wasser nachgießen. Bildet sich an der Oberfläche ein glänzend roter Fettfleck – der sogenannte „Spiegel“ – dann läuft alles richtig!
- Das Gulasch wird noch besser, wenn man es nach dem Kochen auskühlen lässt und am nächsten Tag wieder erwärmt.
- Dazu passen Nockerl, Nudeln und natürlich ofenfrisches Gebäck. Und Bier!
Notes
Quellen:
- 1 https://derstandard.at/2000073070577/100-Jahre-Essgeschichte-Als-der-Oktopus-ein-Oesterreicher-war
- https://www.bmlfuw.gv.at/land/lebensmittel/trad-lebensmittel/speisen/gulasch.html
- „Die gute Wiener Küche“, [1993; Plachutta, Wagner, Seite 294]
- Pinsa Romana - 31. März 2024
- Tarte Tatin Surprise - 29. Oktober 2023
- Emmer-Vollkornbrot - 7. April 2023
Peter H.
Also ich mag das Gulasch gerne richtig dunkel, am besten so wie auf dem ersten Bild. Aber wo kommt da die Farbe her? Vom goldgelb angerösteten Zwiebel sicher nicht und auch im weiteren Rezeptverlauf sehe ich da keine Chance?
Bernhard
Danke für das ausgezeichnete Rezept. Sehr originell und für Laien wie mich ausführlich beschrieben. Nachgekocht und von meinen Gästen ein außerordentliches Lob bekommen.
hildegard pachatz
meine frage, ist es nicht besser den zwiebel ohne paprika schon zu pürieren?
und dann erst denn rest dazugeben.
Dietmar
Hallo Hildegard,
Ich glaube nicht, weil das – wenn auch kurze – rösten des Paprikapulvers für das Aroma wichtig ist.
Aber probierst mal aus und vergleiche. Richtig ist, wie immer, was schmeckt.
Lg Dietmar
hildegard pachatz
danke, werde es ausprobieren und gebe dann bescheid. lg.hildegard
Elsbeth (Elisabeth) Seger
Ich habe nach Jahren wieder einmal einen Wiener Saftgulasch gekocht, aber mir hat beim Essen etwas gefehlt. Ich glaube, ich habe zu wenig Salz dazugegeben, habe mich aber nicht getraut nachzusalzen da ich ohnehin etwas zu viel scharfen Paprika verwendet hatte. Meine Frage nun, wäre es gut, wenn man das Fleisch kurz vor der Zugabe in die Zwiebeln salzen würde oder wirklich erst nachher beim andünsten ?
Dietmar
Hallo Elsbeth,
Ich glaube das macht wenig Unterschied. Ich würde da eher später abschmecken und nachsalzen.
Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass, wenn man denkt es fehlt was, aber man weiß nicht was, es oft Säure ist.
Etwas Essig oder Zitronensaft wirkt oft geschmacklich Wunder.
Lg Dietmar
Norbert Adamek
Liebe Wagners,
ein wohltuender Blog, authentisch und puristisch, gewürzt mit historischen Fakten, nett erzählt, so soll’s sein. Ich schätze Euren puristischen Zugang zum Saftgulasch, ich persönlich erlaube mir eine leichte Abwandlung, indem ich mit den Zwiebeln ganzen Kümmel andünste, das tut dem Gulasch nicht weh. Ich mag das lieber als gemahlenen Kümmel.
Und zum Aufgießen ziehe ich eine echte Rindsuppe dem Wasser vor, die Betonung liegt natürlich auf „echt“, ein Gulasch, das stundenlang vor sich hinköchelt, hat natürlich keine Würfel oder sonstige Suppenhelferlein verdient.
Das Fleisch nicht anzubraten finde ich richtig, es ist schließlich ein Gulasch und kein Eintopf.
Stay pure, have fun cooking, schreibt’s drüber und – bleibt’s xund!
Liebe Grüße,
Norbert
Dietmar
Lieber Herr Adamek,
Vielen Dank für das große Kompliment!
Und ich kann ihre Abwandlung gut nachvollziehen – da meine Elisabeth aber Kümmel wenn, dann nur gemahlen akzeptieren kann, werde ich mir das wohl nicht erlauben 🙂
Rindsuppe finde ich aber ein nachahmenswerte Idee. Jetzt grad köchelt eh wieder der neue Vorrat vor sich hin.
Liebe Grüße
Dietmar Wagner